Das Anstoßen von Ideen ist in unserer DNA verankert

Andreas Barner im Gespräch über die Verbindung von Wirtschaft und Wissenschaft, über dringend nötige Impulse – und darüber, wie man eigentlich Stifterverbandspräsident wird.

Foto: Peter Himsel
Andreas Barner, Präsident des Stifterverbandes

Herr Barner, erinnern Sie sich, wann Sie zum ersten Mal mit dem Stifterverband in Kontakt gekommen sind?
Das war zu der Zeit, als ich in Freiburg Medizin studiert habe, also schon vor mehr als 40 Jahren. Da bekam ich mit, dass ein Forscher aus dem Bereich der Lebenswissenschaften eine unbürokratische Unterstützung durch den Stifterverband bekommen hatte und sehr glücklich darüber war. Das ist mir bis heute in Erinnerung geblieben.

Später haben Sie den Stifterverband von der anderen Seite kennengelernt, nämlich aus der Perspektive der Förderer.
Genau: Das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim, bei dem ich angefangen habe, war schon damals aktiv im Stifterverband. Ich war ja in der Unternehmensleitung verantwortlich für das Thema Forschung und Entwicklung, wir hatten eine große Zahl an Mitarbeitern in Deutschland, auch in der Forschung – und da wurde mir schnell klar, dass es gut wäre, sich auch im politischen Umfeld um die Themen Forschung und Innovation zu kümmern.

Aber das ist ja noch ein weiter Weg zum Amt des Stifterverbandspräsidenten, oder?
Der Stifterverband suchte gezielt jemanden, der sowohl Vorstandsmitglied ist als auch einen Hintergrund in der Forschung hat und dann idealerweise auch noch in der Wissenschaftsgemeinschaft vernetzt ist. Viele Leute mit so einem Profil gab es nicht in Deutschland, und deshalb war es nicht ganz unwahrscheinlich, dass ich gefragt wurde.

Plaudern Sie mal aus dem Nähkästchen: Wie wird so ein Amt an jemanden herangetragen?
Das war ganz unspektakulär. Mein Vorgänger, Arend Oetker, hat mich bei einem Treffen angesprochen und gefragt, ob ich mir das vorstellen könne.

Und – haben Sie gleich zugesagt?
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich dazu durchringen konnte. Natürlich erschien mir die Aufgabe wichtig: Ich wusste ja, dass der Stifterverband gute Arbeit leistet und eine einmalige Institution ist. Nirgendwo im Ausland gibt es das in dieser Form und mit dieser langen Tradition, dass Unternehmen sich zusammengeschlossen haben, um Wissenschaft und Innovationen zu fördern. Aber klar war auch: Mein Tag hat nur 24 Stunden, ich hatte eine ungemein fordernde Aufgabe im Unternehmen, und da musste ich natürlich erst einmal Absprachen treffen.

Sie sind in vielen Organisationen tätig, vom Präsidium des Evangelischen Kirchentags bis hin zum BDI ...
... jetzt atme ich auf, dass Sie nicht sagen: in viel zu vielen Organisationen! (lacht)

... deshalb können Sie es gut vergleichen: Was macht den Stifterverband einmalig?
Erstens die Gemeinschaftsinitiative der Stifter. Zweitens das sehr gute und vertrauensvolle Zusammenwirken mit akademischen Institutionen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über die Leopoldina bis zur Max-Planck-Gesellschaft und vielen anderen. Und drittens der Bezug zur Politik: Wenn der Stifterverband einen Vorschlag macht, dann führt das nicht etwa zu Abstoßungsreaktionen, sondern wir können im Gegenteil davon ausgehen, dass die Ideen wohlwollend aufgenommen und geprüft werden.

Wir sind am Puls der Zeit, stellen kritische Fragen und helfen, das Innovationssystem weiterzuentwickeln.

Andreas Barner

 
War der Stifterverband eigentlich im Jahr 2013, als Sie Präsident wurden, anders als heute?
Bei der Zielsetzung sehe ich auf jeden Fall große Kontinuität: Das Anstoßen von Ideen ist in unserer DNA verankert, das war so, und das bleibt so. Sehr viel anders sind die konkreten Inhalte geworden. Das Thema Digitalisierung kam damals gerade erst auf, heute prägt es viele Debatten sowohl in der Lehre als auch in der Forschung. Oder denken Sie an das Migrationsthema und die Frage, wie wir mithelfen können, die Talente junger Leute zu entfalten. An die Frage, welche Fertigkeiten wir in Deutschland künftig brauchen und wie wir sie in das Bildungssystem integrieren können. In all diesen Bereichen ist das Prinzip für den Stifterverband gleich geblieben, aber die Inhalte haben sich verändert: Wir sind am Puls der Zeit, stellen kritische Fragen und helfen, das Innovationssystem weiterzuentwickeln.

Inwiefern haben Sie selbst als Präsident eigentlich Gestaltungsmöglichkeiten?
Das ist beim Stifterverband so wie bei jeder großen Organisation, die konsensual geleitet wird: Man muss sowohl Freiheitsgrade gewähren, damit Ideen entstehen können, als auch aufpassen, dass sich das große Ganze in die richtige Richtung bewegt.

Moment, das war jetzt eine sehr diplomatische Antwort. Lassen Sie uns anders fragen: Worauf in Ihrer Ägide als Präsident sind Sie besonders stolz?
Es gibt viele erfreuliche Entwicklungen, die aber das Ergebnis der Arbeit von sehr vielen, sehr unterschiedlichen Personen sind. Ich freue mich zum Beispiel, dass es uns gelungen ist, das Thema Digitalisierung in die Hochschulen zu tragen. Oder dass wir Ideen entwickelt haben, wie sich Innovationen an Hochschulen unterstützen lassen. Und auch, dass wir Impulse gegeben haben für den Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

Nun ist die Gesellschaft heute eine völlig andere als zur Gründungszeit des Stifterverbandes vor 100 Jahren. Warum wird der Stifterverband heute nach diesen ersten 100 Jahren eigentlich immer noch gebraucht?
Im Prinzip sind es die gleichen Gründe wie damals: Die Initiativen des Stifterverbandes sind für die Gesellschaft wichtig, für die Wissenschaft – und letztlich auch für die Unternehmen.

Wenn Sie zurückblicken auf die 100-jährige Geschichte des Stifterverbandes: In welcher Epoche wären Sie gern Präsident gewesen?
(lacht) Ich finde die Gründungszeit des Stifterverbandes unheimlich spannend. Gern hätte ich die Persönlichkeiten erlebt, die damals ihre Köpfe zusammengesteckt und die Idee dazu entwickelt haben. Oder auch die Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg: Allein schon, wer da alles dazu aufgerufen hat, den Stifterverband zu unterstützen, von den Handwerkern bis zum Bauernverband! Aber keine Sorge: Auch die jetzige Phase ist ungemein spannend – ich bin durchaus glücklich, heute zu leben.