Die Jahre zwischen 1920 und 1945 waren von Inflation, Diktatur und Krieg geprägt, aber auch von Aufbruchsstimmung und dem unermüdlichen Streben nach Neuem. Keine leichte Epoche für die Wissenschaft – und für den Stifterverband, der sich 1920 gründete.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es an Universitäten ungewöhnliche Szenen zu beobachten: Professoren stopften stapelweise Geldbündel in ihren Rucksack und trugen sie davon. Es war die Zeit der Hyperinflation. Deswegen holten sich die Gelehrten wie Max Planck oder Albert Einstein ihr Gehalt an der Universitätskasse in bar ab.
Wenn ab 1919 von der Not der geistigen Arbeiter die Rede ist, geht es aber bei Weitem nicht nur um entwertete Geldbündel: Damals stürzte die frühere wissenschaftliche Elite des Kaiserreichs im Ansehen gerade ins Bodenlose ab. Nicht aufgrund von fachinternen oder intellektuellen Entwicklungen etwa, es gab ganz andere Gründe: Durch den Krieg und die nachfolgende Revolution stiegen Soldaten und Arbeiter sozial und politisch auf – sie waren die neuen Helden.
Was noch schwerer wog: In den letzten Kriegstagen hatten die alliierten Westmächte zu einem Boykott der deutschen Wissenschaft aufgerufen. Man nahm Anstoß am Fanatismus der Gelehrten, die 1914 nationalistische Pamphlete verfasst hatten, aber auch an der deutschen Kriegsführung mit Giftgas. Ab 1918 wurden die Deutschen deshalb systematisch von internationalen wissenschaftlichen Veranstaltungen verbannt, und es wurden auch keine deutschen Forschungsbeiträge mehr in internationale Bibliografien aufgenommen. Zu allem Überfluss wendete sich der wissenschaftliche Nachwuchs ab. Zudem waren nicht wenige Studenten und Nachwuchswissenschaftler im Krieg gefallen. In der Forschung bremste die Inflation die Arbeit enorm aus: Laborgeräte, Materialien oder Versuchstiere waren immer schwerer erschwinglich, wissenschaftliche Ergebnisse blieben zu jener Zeit oft ungedruckt. Die Preise für ausländische Fachpublikationen stiegen so enorm, dass allein die Preußische Staatsbibliothek Berlin 2.060 ihrer 2.200 Fachzeitschriften-Abonnements kündigen musste.
Tiefer hätte der Fall kaum sein können, wie der Blick zurück ins Kaiserreich zeigt. Damals wuchsen die deutschen Universitäten und die deutsche Wissenschaft weit über sich hinaus. Mit üppiger Unterstützung der deutschen Länder und des Reichs entstanden prächtige Lehrgebäude, moderne Institute und glänzende Bibliotheken. Begnadete Forscher galten als Nationalhelden, und ihre Erfolge waren Anlass für einen immensen Stolz. In seiner Spätzeit stieß das spendable Kaiserreich dann jedoch zunehmend an seine Grenzen, da die Ausgaben für die modernen Naturwissenschaften enorm stiegen. Neue Geldquellen mussten her, die aber die unabhängige Grundlagenforschung keinesfalls gefährden durften. Ein gangbarer Weg, um die Finanzengpässe des Staates zu umschiffen, waren neue Bündnisse zwischen Wissenschaft und Großbourgeoisie.
Letztere stellte großzügig Spenden und Stiftungen bereit, mit denen neue, private Universitäten und Hochschulen entstehen konnten, aber auch bestens ausgestattete außeruniversitäre Forschungsinstitute. Die 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), heute Max-Planck-Gesellschaft, ist ein leuchtendes Beispiel. Ihre Institute erlaubten freie Forschung am Puls der Zeit – außerhalb der Universitäten und Technischen Hochschulen. Hierfür war ein damals fast schon revolutionäres Finanzierungsmodell entwickelt worden, in das sowohl staatliche Mittel als auch – und das war neu – sehr hohe private Spenden flossen. Bis 1933 brachte die KWG zehn Nobelpreisträger hervor, darunter Albert Einstein und Werner Heisenberg. Auch der Stifterverband knüpfte 1920 an dieses erfolgreiche Modell an. Diesmal lag der Fokus jedoch woanders: Man wollte die Not der Wissenschaftler lindern.
Glücklicherweise ließ der Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 der Forschung, mit Ausnahme der Rüstungsforschung, viel Luft. Gelehrte und Konzernvorstände erklärten daraufhin die Wissenschaft zum einzigen verbliebenen Machtfaktor, den das deutsche Volk noch besitze. Die dort herrschende Not zu lindern und ihren Nachwuchs zu stärken galt nun als ein erklärtes gemeinschaftliches Ziel von nationaler Bedeutung.
Dafür sollte "jeder Groschen" verwendet werden, "den wir übrig haben", warb der Chemiker und Industrielle Carl Duisberg für die Idee, Vorstandsvorsitzender der Leverkusener Farbenfabriken und Gründer der I. G. Farbenindustrie: "Es ist das bestangelegte Kapital, das wir besitzen." Duisberg bereitete die Gründung des Stifterverbandes vor, traf hierfür die wichtigen Entscheidungen und lenkte dessen Arbeit auch im Hintergrund bis zu seinem Tod 1935 maßgeblich mit, im letzten Lebensjahr als Vorsitzender.
Im Herbst 1920 war es dann soweit: Führende Wissenschaftler und Industrielle riefen auf Initiative des ehemaligen preußischen Kultusministers Friedrich Schmidt-Ott am 30. Oktober gemeinsam die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft ins Leben und wenige Wochen später, am 14. Dezember, den Stifterverband der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft.
Dabei sollte die Notgemeinschaft die Interessen der Wissenschaft bündeln und gegenüber den Ländern und dem Reich einflussreich vertreten. Der Stifterverband wiederum konzentrierte sich auf Industriekreise, den Handel und Banken, um dort Geld für wissenschaftliche Zwecke einzuwerben. Erster Vorsitzender des Stifterverbandes war Carl Friedrich von Siemens, der damalige Vorstandsvorsitzende der Siemens-Schuckertwerke.
Der Stifterverband bekam zwei Verwaltungsräte mit je 14 Sitzen. In einem saßen je zwei Vertreter aus Bankgewerbe, Handwerk, dem Deutschen Industrie- und Handelstag, Einzelhandel, Großhandel und Reichsverband der Industrie. Der zweite Rat, der sich enger mit dem Vorsitz beriet, bestand aus deutschen Wirtschaftsgrößen wie dem Chemiker Carl Duisberg, dem Erfinder und Ingenieur Robert Bosch oder Albert Vögler, dem Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke. So war der Stifterverband zwar als ein von der Notgemeinschaft unabhängiger Verband gestaltet worden. Seine Aufgabe bestand aber eindeutig darin, die eingesammelten Spenden in enger Kooperation mit Vertretern der Notgemeinschaft zu verteilen.
Man konzentrierte die Förderung von Anfang an auf die exzellenten Köpfe. Beim Verteilen ersparte sich der Stifterverband zunächst einen eigenen Gutachterapparat und dockte sich diesbezüglich an die Notgemeinschaft an. Beide Partner installierten ein Peer-Review – ein Verfahren zur Qualitätssicherung – mit angesehenen Vertretern aus den akademischen Fächern, die berieten und vorschlugen, wer eine Förderung bekommen sollte. Die endgültige Entscheidung lag dann im Präsidium der Notgemeinschaft, also bei Präsident Friedrich Schmidt-Ott, dem Notgemeinschaft und Stifterverband maßgeblich ihre Gründung verdanken.
Jeden Groschen, den wir übrig haben, müssen wir der Wissenschaft widmen. Es ist das bestangelegte Kapital, das wir besitzen.
Sieben Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, die den Stifterverband mitgegründet hatten, starteten zunächst allein einen großen Spendenaufruf. Ab Mai 1921 half dann auch der Stifterverband bei den Werbeaktivitäten mit. Der Aufruf brachte bis Ende 1921 erfreuliche 75 Millionen Mark ein, die der Stifterverband fortan verwaltete. 1922 war die Spendensumme dann auf fast 100 Millionen Mark angestiegen, wobei der wahre Wert weitaus niedriger lag: Im Oktober 1921 war die Mark nur noch rund ein Hundertstel und im Oktober 1922 rund ein Tausendstel wert, verglichen mit der Mark zu Kriegsbeginn 1914.
Die Spendenmillionen blieben zunächst als Grundstock unangetastet. Lediglich die Erträge dieses Spendentopfs verteilte der Stifterverband ab 1922. In jenem Jahr überwies er 2,4 Millionen Mark an die Notgemeinschaft. Eine Hälfte davon war speziell für die Technischen Hochschulen bestimmt, damit sie endlich dringend benötigte Fachliteratur besorgen konnten. Die andere Hälfte floss in Forschungsstipendien, um Nachwuchswissenschaftlern aus verschiedenen Wissensgebieten die Habilitation zu ermöglichen, etwa dem Physiker und späteren Nobelpreisträger Werner Heisenberg.
Förderung bekamen aber beispielsweise auch drei prestigeträchtige Expeditionen zur Vermessung des Südatlantiks, zur Erforschung eines Hochgebirges in Zentralasien und nach Grönland. Der Stifterverband stellte für die deutsche Forschung bis 1941 insgesamt 3.781.000 Reichsmark bereit, die größtenteils an Naturwissenschaftler gingen. Nur sechs Prozent davon bekamen Geisteswissenschaftler, was sich ab 1949 ändern sollte.
Unter den Nationalsozialisten war die Notgemeinschaft, die sich ab 1929 immer öfter Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nannte, früh gleichgeschaltet: Präsident Friedrich Schmidt-Ott war 1934 ersetzt worden, der Hauptausschuss bereits aufgelöst, auch die freien Mitglieder versammelten sich 1934 zum letzten Mal und tagten erst wieder 1949. Mit dem Hitlerfreund und Physiknobelpreisträger Johannes Stark und ab 1936 dem SS-Mann und Chemiker Rudolf Mentzel übernahmen Nationalsozialisten das Ruder der DFG. 1937 wurde sie dem Reichsforschungsrat unterstellt, den Mentzel mitgegründet hatte. Ein Vorsitzender dieses Rates war Hermann Göring.
So ist es wohl keine Überraschung, dass die DFG im "Dritten Reich" sogar schockierende, menschenverachtende Forschung an Kriegsgefangenen und Lagerhäftlingen förderte, wie die Aufarbeitung durch die DFG mithilfe von Wissenschaftlern vor gut 20 Jahren mannigfaltig belegt. Die Rolle des Stifterverbandes ist dagegen nicht tiefgründig erforscht. Fest steht, dass er zunächst seine Arbeit nach der Machtübernahme 1933 unbehelligt fortsetzte, wobei jüdische Bankiers und auch der jüdische Chemienobelpreisträger Fritz Haber, ohne die der Stifterverband in der Weimarer Zeit undenkbar gewesen wäre, den Vorstand verließen. Die Nationalsozialisten führten überhöhte Steuerauflagen für Spenden ein, was die Arbeit des Stifterverbandes schwächte. Aus Sicht des Wirtschaftshistorikers Hans Pohl ging die Talfahrt weiter: "Spätestens zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war der Stifterverband nahezu bedeutungslos geworden, sowohl hinsichtlich seines finanziellen Aufkommens als auch seiner Einflussnahme auf die Forschungspolitik."
Was die Situation zugespitzt hatte: 1942 gründeten führende Industrielle die Fördergemeinschaft der deutschen Industrie, die 1943 und 1944 mehr als 3,6 Millionen Reichsmark an Fördermitteln an die Wissenschaft verteilte. Der Historiker Winfried Schulze belegte: Die Industrie wollte Gewinne nicht mehr in Reichsschätze anlegen, sondern lieber einer zukunftsverheißenden Wissenschaft geben. Der Stifterverband war damals keine Alternative mehr aufgrund seiner ursprünglichen Nähe zur DFG, zudem besaß er nur noch wenig Durchsetzungskraft. Nach dem Krieg sollte dann das Restkapital der Fördergemeinschaft an den Stifterverband übergehen.