Gemeinsam wird es möglich:
100 Jahre Stifterverband

Mit dem Stifterverband bekennt sich die Wirtschaft gemeinsam und eindeutig zu ihrer Verantwortung für die Mitgestaltung unseres Gemeinwesens auf den Feldern Bildung, Wissenschaft und Innovation. In der aktiven Unterstützung des Stiftungsgedankens begleitet sie positiv die Idee einer lebendigen Bürgergesellschaft.

Ausrichtung des Stifterverbandes (Grafik)
Die Ausrichtung des Stifterverbandes

 
Der Stifterverband ist aus der Not geboren.
Als alles begann – im Jahr 1920 –, war ihm die Not sogar in den Namen eingraviert: Stifterverband der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Und in der Tat war die Not groß zu jener Zeit: Die Inflation vernichtete nach dem Ersten Weltkrieg die privaten Vermögen und damit auch die zarten Anfänge eines kooperativen Systems der Wissenschaftsförderung in Deutschland.

Das aufstrebende Bürgertum hatte schon länger danach getrachtet, das Bildungsmonopol des Staats endlich aufzuweichen. So waren die Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (der heutigen Max-Planck-Gesellschaft) seit 1911 weitgehend mit privaten Mitteln errichtet worden. Auch andere Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen waren mit großzügigen privaten Spenden ermöglicht worden. Ein Mischsystem staatlicher und privater Wissenschaftsförderung war entstanden.

Nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg war damit erst einmal Schluss. Wenn überhaupt private Mittel für Wissenschaft und Forschung generiert werden konnten, dann aus der Wirtschaft. Also stellte man der 1920 gegründeten Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft einen Stifterverband zur Seite, der genau diese Aufgabe übernehmen sollte. Und der Stifterverband lieferte. Bis 1922 waren nach dramatischen Spendenaufrufen rund 100 Millionen Mark als Grundausstattung in einem Fonds zusammengekommen. Dessen Erträge waren freilich nicht exorbitant hoch, und doch konnten wegweisende Expeditionen und Forschungsvorhaben damit finanziert werden.

Forschung heißt Arbeit und Brot
Forschung war für die deutsche Gesellschaft nach dem Krieg lebensnotwendig. Davon war der Stifterverband überzeugt.

Im Grunde genommen waren die Bedeutung und das Wirken des frühen Stifterverbandes prägend für alles, was den Stifterverband bis heute ausmacht. Es gibt erstaunlich viele Konstanten in der Geschichte dieser Institution, obwohl sie nach 1949 ganz anders ausgerichtet war und obwohl die frühe Bundesrepublik und später das wiedervereinte Deutschland jeweils ganz andere Anforderungen an den Stifterverband stellten. Eine jener Konstanten ist die Aufgabe, für ein vertrauensvolles Verhältnis von Wirtschaft und Wissenschaft einzutreten. Es gibt keine andere Institution in Deutschland, die dies zu ihren Kernaufgaben zählt.

Seit 100 Jahren wirbt der Stifterverband in der Wirtschaft erfolgreich für den Gedanken, dass Wirtschaft und Wissenschaft zusammen Verantwortung für das Gemeinwesen tragen. Beide Richtungen menschlicher Anstrengungen, Wirtschaft und Wissenschaft, sind Teile eines Ganzen. Sie stehen in vielfältigen Beziehungen zueinander, die sie wiederum unmittelbar mit dem übrigen gesellschaftlichen Leben verknüpfen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Themen des Stifterverbandes nicht selten im Zentrum zentraler gesellschaftlicher Debatten gestanden haben und stehen.

Immer wieder hat der Stifterverband mit seinen Initiativen die bildungsund wissenschaftspolitischen Debatten der Republik befruchtet, und seine Foren haben die klügsten und einflussreichsten Köpfe zusammengeführt. Die Geschichten, die wir in diesem Buch erzählen, legen davon eindrücklich Zeugnis ab. Stets aufscheinende Themen sind die nach dem Verhältnis von Staat und Politik, die Beziehungen zwischen Hochschule und Wirtschaft, die Bedeutung von Wissenschaft und Bildung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Das angespannte Verhältnis von angewandter zur grundlagenorientierten Forschung greift der Stifterverband ebenso regelmäßig auf wie die Rolle der Geisteswissenschaften im Kanon der Wissenschaft und ihre Bedeutung für eine Kulturnation.

Im Verhältnis zum Staat und also zur Politik hat der Stifterverband immer klargemacht, dass er die Leistungen der öffentlichen Hand überhaupt nicht ersetzen, deren Tätigkeit vielmehr ergänzen wolle. Seine Energien setzte der Stifterverband stets dafür ein, darauf hinzuwirken, dass Forschung und Bildung in den öffentlichen Haushalten die gebührende Beachtung fänden, um das Innovationssystem vor weiteren Substanzverlusten zu schützen oder das schon Eingebüßte möglichst zurückzugewinnen.

Vom Stifterverband herausgebrachtes Lesezeichen aus dem Jahr 1953
Vom Stifterverband herausgebrachtes Lesezeichen aus dem Jahr 1953

So kommt es heute immer öfter dazu, dass der Stifterverband übergeordnete Themen in Public-Private-Partnerships bearbeitet. Gerade bei der dringend notwendigen Anpassung der Hochschulen an die Erfordernisse der Digitalisierung arbeitet der Stifterverband sowohl mit staatlichen Institutionen als auch mit institutionellen Akteuren des dritten Sektors zusammen. Kooperation und die Bündelung von Kräften sind das Gebot der Stunde, um große gesellschaftliche Aufgaben zu bewältigen: Gemeinsam wird es möglich.

Die Wirtschaft ist als eine der tragenden Säulen des demokratischen Gemeinwesens nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, sich nach Kräften einzuschalten. Denn Bildung, Wissenschaft und Innovation besitzen heute den gleichen Rang wie die soziale Frage im 19. Jahrhundert. Wahrer Mäzenatengeist erweist sich daher in der Übernahme öffentlicher Verantwortung und Verpflichtung. Der Stifterverband hat dazu 100 Jahre lang beharrlich aufgefordert und ist damit bis heute erfolgreich: Die höchsten Vertreter großer deutscher Unternehmen bilden auch nach 100 Jahren den Vorstand des Stifterverbandes und prägen mit hohem persönlichen Engagement seine Geschicke. Rund 3.000 Unternehmen und Einzelpersonen unterstützen als Mitglieder und Förderer regelmäßig seine Arbeit. Auch darin ist der Stifterverband einzigartig.

In diesem Sinne setzt sich der Stifterverband zudem nachdrücklich für die Belebung des Stiftungswesens ein. Denn gerade in Stiftungen drückt sich bürgerlich freie Mitbeteiligung anschaulich aus. Mittlerweile verwaltet der Stifterverband mit seinem Stiftungszentrum rund 680 Stiftungen, viele sind der Forschungsförderung verpflichtet, aber auch der Bildung, der Kultur oder sozialen Zwecken. Der Stifterverband ist also auch ein Verbund von Stiftungen, die unter seinem Dach wichtige gesellschaftliche Aufgaben bearbeiten. In Anerkennung solcher gesellschaftlicher Formgebung ist seit Theodor Heuss der jeweilige Bundespräsident Schirmherr des Stifterverbandes.

Der Stifterverband ist die Gemeinschaftsinitiative von Unternehmen und Stiftungen, die als einzige ganzheitlich in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Innovation berät, vernetzt und fördert.

Vorstand des Stifterverbandes 2019 (Foto: Peter Himsel)
Foto: Peter Himsel
Die höchsten Vertreter großer deutscher Unternehmen bilden auch nach 100 Jahren den Vorstand des Stifterverbandes.

 
Heute stehen wir vor sich immer weiter beschleunigenden Veränderungen und Umbrüchen unserer technischwissenschaftlichen Zivilisation. Nicht wenige sprechen von Disruption. Doch wohin immer uns künstliche Intelligenz und die allgemeine Algorithmisierung aller Lebensbereiche führen werden: Nur herausragende wissenschaftliche Leistung wird uns dazu verhelfen, mit Innovationen wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Stifterverband blickt auf 100 Jahre erfolgreicher Arbeit zurück. Aber wie Ernst Hellmut Vits, der damalige Vorstandsvorsitzende, 1959 bemerkte: "Wir sind mit dem Erreichten nicht zufrieden und können nicht zufrieden sein." Denn um Wissenschaft und Bildung zu befähigen, den neuen Herausforderungen gewachsen zu sein, „werden noch ganz andere Beträge auch von der Wirtschaft aufgebracht werden müssen“. Darum bleibt es weiter die dringende Verpflichtung des Stifterverbandes, für die Idee der allgemeinen Wissenschaftsförderung als einer großen Gemeinschaftsaufgabe zu werben.

Forschungsgipfel 2019 (Foto: David Ausserhofer)
Foto: David Ausserhofer
Die Wissenschafts- und Innovationsförderung steht im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe Forschungsgipfel.